Hans Prinzhorn

Der Mediziner und Psychiater Hans Prinzhorn, geboren am 8. Juni 1886 in Hemer in Westfalen, kam 1919 als Assistent an die Psychiatrische Klinik der Universität Heidelberg. Dort erhielt er den Auftrag, eine bereits bestehende Kollektion von künstlerischen Arbeiten von Psychiatriepatienten zu erweitern und wissenschaftlich auszuwerten. Die bis heute einzigartige Prinzhorn-Sammlung in Heidelberg umfaßt mehr als 5000 Zeichnungen, Bilder, Skulpturen und Texte aus allen großen Psychiatrien Europas. Über diese Kollektion veröffentlichte er 1922 unter Mitwirkung von Wilhelm Fraenger das Buch „Die Bildnerei der Geisteskranken“. In den 20er Jahren war die Prinzhorn-Sammlung eine Sensation. Viele Künstler ließen sich von den Werken der Psychiatrie-Insassen inspirieren.

Fraenger besuchte Prinzhorn oft in dessen Heidelberger Klinik. Prinzhorn nahm regelmäßig an den Veranstaltungen der „Gemeinschaft“ teil und arbeitete im Vorstand mit. An zwei Abenden trat er auch als Hauptredner auf. Am 7. Oktober 1919 hielt Prinzhorn unter dem Reihentitel „Die Seelenform des primitiven Menschen“ einen Vortrag über das „Gilgamesch-Epos“ und am 2. Dezember 1919 über „Die erste Kunst“.

Prinzhorn war nicht nur aus Interesse an psychoanalytischer Geschichts- und Kunstbetrachtung auf die „Gemeinschaft“ von Fraenger gestoßen, sondern er beschäftigte sich auch prinzipiell mit der Idee der Gemeinschaft aus psychologischer Sicht. 1924 veröffentlichte Prinzhorn eine Studie zur Gemeinschaftsbildung, in der er Gemeinschaft in den Gegensatz zu Gesellschaft stellte. Den Individualismus der Moderne kritisierte er heftig. Prinzhorn, der Heidelberg bereits 1921 verließ und sich mit Vorträgen und Publikationen durchschlug, vertrat viele Ansichten und Ideale der „Konservativen Revolution“. Diese konservative Geistesströmung in der Weimarer Republik forderte nach den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges einen durch eine Elite geführten autoritären Staat. In seinen letzten Lebensjahren näherte sich Prinzhorn immer mehr den emporkommenden Nationalsozialisten an. In einer Artikelfolge „Über den Nationalsozialismus“ befaßte er sich mit der NS-Ideologie und dem Führerprinzip. Auch mit antisemitischen Äußerungen hielt sich Prinzhorn nicht zurück. Am 14. Juni 1933 starb er in München an einer Typhusinfektion.

Einige Kunstwerke der Prinzhorn-Sammlung wurden 1937 in der NS-Ausstellung „Entartete Kunst“ neben expressionistischen Werken ausgestellt. Die Nationalsozialisten wollten damit die gesamte Moderne als geisteskrank diffamieren. Die Prinzhorn-Sammlung überstand den Zweiten Weltkrieg unbeschadet und wurde seit den 70er Jahren systematisch erschlossen und restauriert.