Hans Naumann

Hans Naumann wurde am 13. Mai 1886 in Görlitz geboren. Er studierte in München, Kiel, Berlin und Straßburg Deutsche Philologie. Nach seiner Promotion 1911 habilitierte er sich 1913 in Straßburg mit der international sehr beachteten Schrift „Notkers Boethius“. Ab 1916 arbeitete er als Redakteur für verschiedene Frontzeitungen. 1919 stieg Naumann an der Universität Jena zum außerordentlichen Professor für Volkskunde auf, nachdem er mit zahlreichen volkskundlichen Arbeiten zur germanischen Sprache und Literatur wissenschaftliche Anerkennung gefunden hatte. Von 1922 bis 1931 war Naumann in Frankfurt a.M. Professor für „Deutsche Philologie, insbesondere ältere germanische Philologie“ und zugleich Direktor des Germanistischen Seminars. 1932 wechselte er mit demselben Aufgabengebiet nach Bonn, wo er den Lehrstuhl bis zu seiner Amtsenthebung 1945 innehatte. Naumann unterzeichnete 1932 den bekannten Aufruf von 51 deutschen und österreichischen Professoren zugunsten Hitlers und der NSDAP, der vor der Reichstagswahl unter dem Titel „Erklärung deutscher Universitäts- und Hochschullehrer“ im „Völkischen Beobachter“ erschien. 1933 beteiligte er sich als Redner bei der öffentlichen Bücherverbrennung. Aus seinem wissenschaftlichen Werk (u.a. „Grundzüge der deutschen Volkskunde“ und „Primitive Gemeinschaftskultur“) hat seine „Theorie vom gesunkenen Kulturgut“ (1922) die größte Wirkung entfaltet und beeinflußte bis in die 60er Jahre nicht nur Teile der Volkskunde, sondern auch andere Wissenschaftszweige: Hiernach ahmt die Unterschicht die Kulturleistungen der prägenden Oberschicht nach, wobei deren Exklusivität „absinkt“ und zum flachen Gemeingut erstarrt, so daß sich die Oberschicht neue Prädikate suchen muß. Bis zu seinem Tod am 25. September 1951 war es Naumann versagt, an einer deutschen Universität zu lehren, auch wenn die Amtsenthebung noch zu seinen Lebzeiten rückgängig gemacht und Naumann entnazifiziert wurde.

Vor seiner Tätigkeit als Leiter der Mannheimer Schloßbibliothek beschäftigte sich Wilhelm Fraenger Mitte der 20er Jahre ausführlich mit Naumanns „Theorie vom gesunkenen Kulturgut“, die er 1926 in einem Aufsatz über russische Bilderbogen widerlegte. Naumanns Theorie setzte er entgegen, daß das „einfache“ Volk bei der Übernahme fremder Bildungswerte selbständige Aneignungskraft, aktive Aufnahmefähigkeit und damit auch eine eigene Kulturleistung einbringt. Nicht die Polarität zwischen Volks- und Hochkultur sei wesentlich, sondern der „Lichtbogen“, der sich zwischen beiden entzündet.